in lobsters paradise :: solvitur ambulando
Man hat es getan: solvitur ambulando.
(lat. 'es wird durch gehen gelöst' )Was die Schildkröte zu Achilles sagte – von Lewis Carroll
Achilles hatte die Schildkröte eingeholt und sich gemütlich auf ihrem Rücken niedergelassen.
Hier musste der Erzähler, der dringende Geschäfte auf der Bank zu erledigen hatte, das glückliche Paar verlassen, und erst nach einigen Wochen kam er wieder an diesen Ort. Achilles saß immer noch auf dem Rücken der geduldigen Schildkröte und schrieb in sein Notizbuch, das fast voll zu sein schien.
Achilles hatte die Schildkröte eingeholt und sich gemütlich auf ihrem Rücken niedergelassen.
»So haben wir also das Ende unserer Rennbahn erreicht?«, sagte die Schildkröte.
»Obgleich sie tatsächlich aus einer unendlichen Reihe von Abständen besteht? Ich dachte, irgend so ein ganz Schlauer hätte bewiesen, dass es unmöglich sei?«
»Es ist möglich«, sagte Achilles. »Man hat es getan: solvitur ambulando. Die Abstände werden eben immer kleiner, und deshalb ...«
»Wenn sie aber ständig größer geworden wären?«, unterbrach die Schildkröte. »Was dann?«
»Dann wäre ich nicht hier«, antwortete Achilles bescheiden, »und sie wären schon einige Male um die Welt gelaufen!«
»Sie entzücken mich – ich meine, Sie erdrücken mich«, sagte die Schildkröte, »denn Sie sind ohne Zweifel ein Schwergewicht. Wollen Sie gern etwas über eine Rennbahn erfahren, von der die meisten Menschen glauben, dass man sie in zwei oder drei Schritten durchmessen kann, während sie in Wirklichkeit aus einer unendlichen Anzahl von Abständen besteht, von denen jeder länger als der vorhergehende ist?«
»Aber sehr gern!« sagte der griechische Held, und er entnahm seinem Helm (nur wenige griechische Helden besaßen zu jener Zeit Taschen) ein riesiges Notizbuch und einen Bleistift. »Beginnen Sie! Und sprechen Sie bitte langsam. Die Stenographie ist noch nicht erfunden worden!«
»Jener schöne erste Satz von Euklid«, murmelte die Schildkröte verträumt. »Sie bewundern Euklid?«
»Leidenschaftlich. Zumindest insofern ich eine Abhandlung bewundern kann, die erst in ein paar Jahrhunderten veröffentlicht werden wird.«
»Nun gut. Nehmen wir einen kleinen Teil der Argumentation in diesem ersten Satz. Bitte schreiben Sie sie auf. Und um bequem mit ihnen umgehen zu können, nennen wir sie A, B und Z:
A) Sind zwei Dinge einem dritten gleich, so sind sie einander gleich.
B) Die zwei Seiten dieses Dreiecks sind einer weiteren gleich.
Z) Die zwei Seiten dieses Dreiecks sind einander gleich.
Wer Euklid gelesen hat, wird wohl zugeben, dass Z logisch aus A und B folgt, so dass jeder, der A und B akzeptiert, Z als wahr akzeptieren muss?«
»Ohne Zweifel. Das kleinste Kind in einem Gymnasium – sobald Gymnasien erfunden worden sind, was erst in etwa zweitausend Jahren der Fall sein wird – wird das zugeben.«
»Und wenn ein Leser A und B noch nicht als wahr akzeptiert hat, könnte er die Sequenz noch immer als gültig akzeptieren, nicht wahr?«
»Sicher könnte es einen solchen Leser geben. Er könnte sagen: Ich akzeptiere als wahr den hypothetischen Satz, dass wenn A und B wahr sind, Z auch wahr sein muss, aber ich akzeptiere A und B nicht als wahr. Ein solcher Leser wäre gut beraten, wenn er Euklid an den Nagel hängte und anfinge, Fußball zu spielen.«
»Und könnte es nicht auch einen Leser geben, der sagen würde: Ich akzeptiere A und B als wahr, aber ich akzeptiere nicht die Schlussfolgerung?«
»Gewiss. Aber auch er würde besser Fußball spielen.«
»Und keiner dieser Leser«, fuhr die Schildkröte fort, »steht bisher unter logischem Zwang, Z als wahr zu akzeptieren?«
»Gewiss«, stimmte Achilles bei.
»Also gut. Ich möchte, dass Sie mich als einen Leser der zweiten Sorte betrachten und mich mit Mitteln der Logik dazu zwingen, Z als wahr zu akzeptieren.«
»Eine Fußball spielende Schildkröte wäre ...«, begann Achilles.
»... eine Anomalität, natürlich«, unterbrach die Schildkröte hastig. »Zur Sache: Zuerst Z und dann Fußball.«
»Ich soll Sie also zwingen, Z zu akzeptieren«, sagte Achilles nachdenklich. »Und Ihre gegenwärtige Position ist die, dass Sie A und B akzeptieren, nicht aber die Schlussfolgerung ...«
»Nennen wir sie C«, sagte die Schildkröte.
»... aber Sie akzeptieren nicht
C) Wenn A und B wahr sind, muss Z wahr sein.«
»Das ist meine gegenwärtige Position«, sagte die Schildkröte.
»Dann muss ich Sie bitten, C zu akzeptieren.«
»Ich werde das tun«, sagte die Schildkröte, »sobald Sie es in Ihrem Notizbuch niedergeschrieben haben. Was steht sonst noch drin?«
»Nur ein paar Aufzeichnungen«, sagte Achilles und blätterte nervös in dem Buch, »ein paar Aufzeichnungen über die Schlachten, in denen ich mich hervorgetan habe.«
»Viele unbeschriebene Blätter, wie ich sehe«, sagte die Schildkröte fröhlich. »Wir werden sie alle brauchen!« (Achilles schaudert) »Nun schreiben Sie auf, was ich Ihnen diktiere:
A) Sind zwei Dinge einem dritten gleich, so sind sie einander gleich.
B) Die zwei Seiten dieses Dreiecks sind einer weiteren gleich.
Z) Die zwei Seiten dieses Dreiecks sind einander gleich.«
»Sie sollten es D nennen, nicht Z«, sagte Achilles. »Es folgt unmittelbar den drei andern. Wenn Sie A und B und C akzeptieren, müssen Sie Z akzeptieren.«
»Und warum muss ich das?«
»Weil es logisch daraus folgt. Wenn A und B und C wahr sind, muss Z wahr sein. Das können Sie wohl nicht bestreiten?«
»Wenn A und B und C wahr sind, muss Z wahr sein«, wiederholte die Schildkröte nachdenklich. »Das ist wieder eine Behauptung, nicht wahr? Und wenn ich ihre Wahrheit nicht einsähe, könnte ich A und B und C annehmen, und Z immer noch nicht akzeptieren, nicht wahr?«
»Ja gewiss«, gab der aufrichtige Held zu, »wenn auch solche Dickköpfigkeit gewiss phänomenal wäre. Immerhin ist es möglich. Ich muss Sie also bitten, mir eine weitere Behauptung zu gewähren.«
»Schön, ich gewähre sie Ihnen, sobald Sie sie notiert haben. Wir wollen sie D nennen.
D) Wenn A und B und C wahr sind, muss Z wahr sein. Haben Sie das notiert?«
»Gewiss«, rief Achilles freudig aus, während er den Bleistift wegsteckte.
»Endlich sind wir am Ende dieser gedanklichen Rennbahn. Da Sie nun A und B und C und D akzeptiert haben, akzeptieren Sie natürlich auch Z.«
»So?«, fragte die Schildkröte unschuldig. »Machen wir uns das ganz klar. Ich akzeptiere A und B und C und D. Und wenn ich mich noch immer weigere, Z zu akzeptieren?«
»Dann würde die Logik Sie an der Gurgel packen und Sie zwingen, das zu tun«, antwortete Achilles triumphierend. »Die Logik würde Ihnen sagen: Sie können gar nicht anders. Da Sie A und B und C und D akzeptiert haben, müssen Sie Z akzeptieren! Sie haben gar keine andere Wahl.«
»Was immer die Logik mir freundlicherweise sagt, verdient es, aufgeschrieben zu werden«, sagte die Schildkröte. »Tragen Sie es also bitte in Ihr Buch ein. Wir nennen es:
E) Wenn A und B und C und D wahr sind, muss Z wahr sein.«
»Bis ich das zugegeben habe, brauche ich Z natürlich nicht zuzugeben. Es ist also ein durchaus notwendiger Schritt, nicht wahr?«
»Ich verstehe«, sagte Achilles, und in seiner Stimme lag ein bisschen Traurigkeit.
»Obgleich sie tatsächlich aus einer unendlichen Reihe von Abständen besteht? Ich dachte, irgend so ein ganz Schlauer hätte bewiesen, dass es unmöglich sei?«
»Es ist möglich«, sagte Achilles. »Man hat es getan: solvitur ambulando. Die Abstände werden eben immer kleiner, und deshalb ...«
»Wenn sie aber ständig größer geworden wären?«, unterbrach die Schildkröte. »Was dann?«
»Dann wäre ich nicht hier«, antwortete Achilles bescheiden, »und sie wären schon einige Male um die Welt gelaufen!«
»Sie entzücken mich – ich meine, Sie erdrücken mich«, sagte die Schildkröte, »denn Sie sind ohne Zweifel ein Schwergewicht. Wollen Sie gern etwas über eine Rennbahn erfahren, von der die meisten Menschen glauben, dass man sie in zwei oder drei Schritten durchmessen kann, während sie in Wirklichkeit aus einer unendlichen Anzahl von Abständen besteht, von denen jeder länger als der vorhergehende ist?«
»Aber sehr gern!« sagte der griechische Held, und er entnahm seinem Helm (nur wenige griechische Helden besaßen zu jener Zeit Taschen) ein riesiges Notizbuch und einen Bleistift. »Beginnen Sie! Und sprechen Sie bitte langsam. Die Stenographie ist noch nicht erfunden worden!«
»Jener schöne erste Satz von Euklid«, murmelte die Schildkröte verträumt. »Sie bewundern Euklid?«
»Leidenschaftlich. Zumindest insofern ich eine Abhandlung bewundern kann, die erst in ein paar Jahrhunderten veröffentlicht werden wird.«
»Nun gut. Nehmen wir einen kleinen Teil der Argumentation in diesem ersten Satz. Bitte schreiben Sie sie auf. Und um bequem mit ihnen umgehen zu können, nennen wir sie A, B und Z:
A) Sind zwei Dinge einem dritten gleich, so sind sie einander gleich.
B) Die zwei Seiten dieses Dreiecks sind einer weiteren gleich.
Z) Die zwei Seiten dieses Dreiecks sind einander gleich.
Wer Euklid gelesen hat, wird wohl zugeben, dass Z logisch aus A und B folgt, so dass jeder, der A und B akzeptiert, Z als wahr akzeptieren muss?«
»Ohne Zweifel. Das kleinste Kind in einem Gymnasium – sobald Gymnasien erfunden worden sind, was erst in etwa zweitausend Jahren der Fall sein wird – wird das zugeben.«
»Und wenn ein Leser A und B noch nicht als wahr akzeptiert hat, könnte er die Sequenz noch immer als gültig akzeptieren, nicht wahr?«
»Sicher könnte es einen solchen Leser geben. Er könnte sagen: Ich akzeptiere als wahr den hypothetischen Satz, dass wenn A und B wahr sind, Z auch wahr sein muss, aber ich akzeptiere A und B nicht als wahr. Ein solcher Leser wäre gut beraten, wenn er Euklid an den Nagel hängte und anfinge, Fußball zu spielen.«
»Und könnte es nicht auch einen Leser geben, der sagen würde: Ich akzeptiere A und B als wahr, aber ich akzeptiere nicht die Schlussfolgerung?«
»Gewiss. Aber auch er würde besser Fußball spielen.«
»Und keiner dieser Leser«, fuhr die Schildkröte fort, »steht bisher unter logischem Zwang, Z als wahr zu akzeptieren?«
»Gewiss«, stimmte Achilles bei.
»Also gut. Ich möchte, dass Sie mich als einen Leser der zweiten Sorte betrachten und mich mit Mitteln der Logik dazu zwingen, Z als wahr zu akzeptieren.«
»Eine Fußball spielende Schildkröte wäre ...«, begann Achilles.
»... eine Anomalität, natürlich«, unterbrach die Schildkröte hastig. »Zur Sache: Zuerst Z und dann Fußball.«
»Ich soll Sie also zwingen, Z zu akzeptieren«, sagte Achilles nachdenklich. »Und Ihre gegenwärtige Position ist die, dass Sie A und B akzeptieren, nicht aber die Schlussfolgerung ...«
»Nennen wir sie C«, sagte die Schildkröte.
»... aber Sie akzeptieren nicht
C) Wenn A und B wahr sind, muss Z wahr sein.«
»Das ist meine gegenwärtige Position«, sagte die Schildkröte.
»Dann muss ich Sie bitten, C zu akzeptieren.«
»Ich werde das tun«, sagte die Schildkröte, »sobald Sie es in Ihrem Notizbuch niedergeschrieben haben. Was steht sonst noch drin?«
»Nur ein paar Aufzeichnungen«, sagte Achilles und blätterte nervös in dem Buch, »ein paar Aufzeichnungen über die Schlachten, in denen ich mich hervorgetan habe.«
»Viele unbeschriebene Blätter, wie ich sehe«, sagte die Schildkröte fröhlich. »Wir werden sie alle brauchen!« (Achilles schaudert) »Nun schreiben Sie auf, was ich Ihnen diktiere:
A) Sind zwei Dinge einem dritten gleich, so sind sie einander gleich.
B) Die zwei Seiten dieses Dreiecks sind einer weiteren gleich.
Z) Die zwei Seiten dieses Dreiecks sind einander gleich.«
»Sie sollten es D nennen, nicht Z«, sagte Achilles. »Es folgt unmittelbar den drei andern. Wenn Sie A und B und C akzeptieren, müssen Sie Z akzeptieren.«
»Und warum muss ich das?«
»Weil es logisch daraus folgt. Wenn A und B und C wahr sind, muss Z wahr sein. Das können Sie wohl nicht bestreiten?«
»Wenn A und B und C wahr sind, muss Z wahr sein«, wiederholte die Schildkröte nachdenklich. »Das ist wieder eine Behauptung, nicht wahr? Und wenn ich ihre Wahrheit nicht einsähe, könnte ich A und B und C annehmen, und Z immer noch nicht akzeptieren, nicht wahr?«
»Ja gewiss«, gab der aufrichtige Held zu, »wenn auch solche Dickköpfigkeit gewiss phänomenal wäre. Immerhin ist es möglich. Ich muss Sie also bitten, mir eine weitere Behauptung zu gewähren.«
»Schön, ich gewähre sie Ihnen, sobald Sie sie notiert haben. Wir wollen sie D nennen.
D) Wenn A und B und C wahr sind, muss Z wahr sein. Haben Sie das notiert?«
»Gewiss«, rief Achilles freudig aus, während er den Bleistift wegsteckte.
»Endlich sind wir am Ende dieser gedanklichen Rennbahn. Da Sie nun A und B und C und D akzeptiert haben, akzeptieren Sie natürlich auch Z.«
»So?«, fragte die Schildkröte unschuldig. »Machen wir uns das ganz klar. Ich akzeptiere A und B und C und D. Und wenn ich mich noch immer weigere, Z zu akzeptieren?«
»Dann würde die Logik Sie an der Gurgel packen und Sie zwingen, das zu tun«, antwortete Achilles triumphierend. »Die Logik würde Ihnen sagen: Sie können gar nicht anders. Da Sie A und B und C und D akzeptiert haben, müssen Sie Z akzeptieren! Sie haben gar keine andere Wahl.«
»Was immer die Logik mir freundlicherweise sagt, verdient es, aufgeschrieben zu werden«, sagte die Schildkröte. »Tragen Sie es also bitte in Ihr Buch ein. Wir nennen es:
E) Wenn A und B und C und D wahr sind, muss Z wahr sein.«
»Bis ich das zugegeben habe, brauche ich Z natürlich nicht zuzugeben. Es ist also ein durchaus notwendiger Schritt, nicht wahr?«
»Ich verstehe«, sagte Achilles, und in seiner Stimme lag ein bisschen Traurigkeit.
Hier musste der Erzähler, der dringende Geschäfte auf der Bank zu erledigen hatte, das glückliche Paar verlassen, und erst nach einigen Wochen kam er wieder an diesen Ort. Achilles saß immer noch auf dem Rücken der geduldigen Schildkröte und schrieb in sein Notizbuch, das fast voll zu sein schien.
Die Schildkröte sagte: »Haben Sie diesen letzten Schritt notiert? Wenn ich nicht den Faden verloren habe, macht das eintausendundeins. Es kommen noch einige Millionen dazu. Und würden Sie bitte, als persönlichen Gefallen, sich überlegen, wie viel Lehrreiches dieses unser Gespräch den Logikern des 19. Jahrhunderts liefern wird? Würden Sie bitte einen Kalauer sich zu eigen machen, den meine Base, die Falsche Schildkröte, dann machen wird, und gestatten, dass Sie in ‚Griech-Tier’ umbenannt werden?«
»Wie Sie wollen«, antwortete der müde Krieger in den hohlen Tönen der Verzweiflung und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. »Vorausgesetzt, dass sie ihrerseits einen Kalauer akzeptieren, den die Falsche Schildkröte nie gemacht hat, und gestatten, dass Sie von jetzt an die ‚Schnellzüngigste aller Nervensägen’ heißen!«
»Wie Sie wollen«, antwortete der müde Krieger in den hohlen Tönen der Verzweiflung und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. »Vorausgesetzt, dass sie ihrerseits einen Kalauer akzeptieren, den die Falsche Schildkröte nie gemacht hat, und gestatten, dass Sie von jetzt an die ‚Schnellzüngigste aller Nervensägen’ heißen!«