in lobsters paradise :: Thor Heyerdahl
Autor: Linn Ryne & Nachrichtenagenturen
Der norwegische Abenteurer und Völkerkundler Thor Heyerdahl ist tot. Er starb im Alter von 87 Jahren in seinem Haus bei Alassio in Italien. Dies teilte seine Familie mit. Heyerdahl litt an einem Hirntumor.
___________________________________
Norwegens Küste ist lang und zerklüftet. Tiefe, stille Fjorde schneiden tief ins Land, was unter anderem bedeutet, daß ein Großteil der Bevölkerung am Meer wohnt und lebt. Von prähistorischer Zeit an brachte die Landwirtschaft den Norwegern einen nur mageren Lebensunterhalt. Es ist daher kaum verwunderlich, daß die Menschen beim Bestellen ihrer Felder ab und zu ihre von der Arbeit gebeugten Rücken aufrichteten und den Blick zu verlockenderen Horizonten erhoben - zum Meer, das ihnen nicht nur mehr Nahrung schenken konnte, sondern sie auch zu reicheren Ländern und einem milderen Klima tragen würde.
Thor Heyerdahls Reisen in die Geschichte.
Thor Heyerdahl wurde 1914 in der kleinen Küstenstadt Larvik im südöstlichen Teil Norwegens geboren. In den Nachschlagewerken ist er als Zoologe und Anthropologe aufgeführt. Letzteres hat ihm die Aufmerksamkeit der Welt gebracht.
Nach umfassenden ethnographischen und archäologischen Studien von Material aus Polynesien, vom amerikanischen Kontinent und aus Südostasien hat Heyerdahl die Theorie entwickelt, daß Polynesien nicht wie früher angenommen von Südostasien, sondern von Amerika her besiedelt worden ist.
Diese Hypothese wurde nur distanziert aufgenommen. Deshalb beschloß Heyerdahl, sich auf die Reise zu begeben, um - wie Nansen vor ihm - die Stichhaltigkeit seiner Behauptung persönlich zu beweisen. Das Fahrzeug, das er für diese Reise baute, war eine genaue Kopie der Balsa-Floßboote, die die südamerikanischen Indianer in prähistorischer Zeit gebaut hatten. Im Jahre 1947 begab Heyerdahl sich mit einer sechs Mann starken Besatzung von Callao in Peru aus auf die heute weltberühmte “Kon-Tiki”-Fahrt zu den polynesischen Tuamotu-Inseln.
Diese drei Monate dauernde gefährliche Reise war nicht nur ein kühnes Unternehmen; sie war auch eine wissenschaftliche Großtat. In dem Buch, das Heyerdahl nach der Expedition schrieb: “American Indians in the Pacific” (“Amerikanische Indianer im Pazifik”) - untermauert er seine Theorie mit einer Fülle von Beweismaterial. Hier verficht er unter anderem die These, daß ein erster Siedlerstrom um das Jahr 500 n.Chr. aus Peru übers Meer nach Polynesien gekommen sei und ein zweiter vom Jahre 1000 bis 1300 n.Chr. von der Nordwestküste Nordamerikas.
Um seine Theorien noch glaubwürdiger zu machen, leitete Heyerdahl im Jahre 1953 eine norwegische archäologische Expedition zu den Galápagos-Inseln. Die Expedition fand Beweise für Heyerdahls Theorien in Form von Antiquitäten indianisch-amerikanischen Ursprungs, die sowohl aus der eigentlichen Inkazeit als auch aus der vorinkaischen Zeit stammen und die ersten Funde dieser Art darstellen.
Drei Jahre später - 1955/56 - leitete Heyerdahl eine 25 Mann starke Expedition zur Osterinsel, wo sie umfassende Ausgrabungen vornahm. Die Funde von der Osterinsel beweisen, daß es auf dieser Inselgruppe drei verschiedene Kulturepochen gegeben hat, deren zweite die so gut bekannten Steinstatuen hervorgebracht hat. Die Ausgrabungen brachten außerdem Statuen noch früheren Ursprungs ans Licht, die einigen in Bolivien gefundenen sehr ähnlich sind. Es muß jedoch erwähnt werden, daß Heyerdahls Ansichten über die Geschichte der Besiedlung Polynesiens und der Wanderung der uralten Kulturen in diesem Gebiet in gewissen anthropologischen Kreisen weiterhin teilweise ernsthaft angefochten werden.
Heyerdahl kehrte zu seiner großen Leidenschaft - dem Meer - zurück, als er 1969 die erste “Ra”-Expedition leitete, die eine der “Kon-Tiki”-Reise sehr ähnliche Zielsetzung hatte. In dem nach dem ägyptischen Sonnengott Ra benannten Papyrusboot verließ die Expedition die marokkanische Stadt Safi in der Absicht, den Atlantik zu überqueren und dadurch zu beweisen, daß die Papyrusboote der alten Ägypter imstande waren, die großen Weltmeere zu überqueren. Heyerdahl behauptete, die frühen afrikanischen und ägyptischen Zivilisationen hätten den Indianern in Mittelamerika kulturelle Impulse zugeführt.
Nach einer 5000 Kilometer langen Reise begann das Papyrusboot jedoch auf Grund einer Fehlkonstruktion auseinanderzubrechen, und die Mannschaft mußte von Bord gehen. Im Jahr darauf machte Heyerdahl sich mit “Ra II” erneut auf den Weg - diesmal mit Erfolg. Nach zweimonatiger Fahrt über 6100 Kilometer erreichten sie Barbados, womit bewiesen war, daß Boote wie die “Ra” in prähistorischer Zeit theoretisch mit der kanarischen Meeresströmung den Atlantik überquert haben könnten.
Im Jahre 1977 unternahm Heyerdahl eine weitere Reise, und zwar mit dem Schilfboot “Tigris”. Auch diesmal wollte er die Richtigkeit seiner Theorien über Meeresfahrten in der Antike bestätigen. Zweck der “Tigris”-Expedition war es, die Handelswege und den Kulturaustausch zu erhellen, die ab etwa 3000 v.Chr. über die Meere hinweg zwischen den Sumerern in Mesopotamien und einer Reihe von anderen kulturellen Zentren im Nahen Osten, in Nordostafrika und im heutigen Pakistan bestanden haben.
Nach der “Tigris”-Expedition begann Heyerdahl unter anderem mit der Erforschung der Geschichte der Malediven im Indischen Ozean. Auch sind neue Ausgrabungen im Gange - unter anderem auf Teneriffa, der größten der Kanarischen Inseln. Hier entdeckte er eine auf die Sonne ausgerichtete Pyramide - vermutlich aus der Zeit der Guanchen, der Urbevölkerung der Kanarischen Inseln.
Heyerdahl leitete außerdem großangelegte Ausgrabungen im Peruanischen Hochland, genauer gesagt in Tucumán, wo 26 andische Pyramiden aufgedeckt wurden. Reiche Schätze und andere ausgegrabene Gegenstände bezeugen, daß die Menschen, die vor den Inkas in dieser Gegend gelebt haben, tüchtige Seeleute waren, die entlang der gesamten südamerikanischen Küste umfassende Kontakte hatten.
Thor Heyerdahl engagierte sich in den vergangenen 20 Jahren stark für den Umweltschutz. Der fünffache Vater lebte von 1959 an zunächst in Alassio an der italienischen Rivieraküste und zuletzt mit seiner dritten Ehefrau, Jaqueline Beer und frühere “Miss France”, die der fünffache Vater nach seinem 75. Geburtstag geheiratet hatte, auf Teneriffa. 1999 wurde er in seiner Heimat zum berühmtesten Norweger des 20. Jahrhunderts gewählt.
Vor wenigen Tagen verweigerte er eine weitere ärztliche Behandlung sowie Essen und Trinken. Als er starb waren drei seiner Kinder und seine Frau Jaqueline bei ihm.