Leonardo da Vinci
Was ließe sich zu Leonardo da Vinci sagen, was nicht bereits hunderte Male erdacht, gefühlt, zu Papier und in Worte gefasst worden wäre. Doch eins ist es, was mich selbst in verschiedenen Lebensaltern immer wieder fasziniert und ehrfurchtfühlend vor die Bilder Leonardos hat treten lassen. Es ist, abseits der Faszination des großen Forschergeistes (menschlicher Proportionen und technische Entwicklungen, des großen Ingenieurs Leonardo) und Ahners kommender Entwicklungen und ebenso abseits der vielen Deutungen, die uns einige seiner Bilder in Verbindung mit seinem Leben ermöglichen, es ist, ja es sind die drei Hauptwerke, seine wirklich großen Hinterlassenschaften, an denen er doch so lange gesessen und mit ihnen gerungen hat. Für mich sind es zuvorderst die „Anna selbdritt“, dann „Johannes der Täufer“ und zuletzt wahrscheinlich auch die „Mona Lisa“, diese allerdings gegenüber den beiden ersten nur bedingt.
Dortselbst faszinieren mich dieses unausprechliche Gesicht und Ausdruck der Heiligen Anna (hebräisch: Hannah), Mutter der Maria mit ihrem Jesuskindlein das mit Johannes dem Täufer in Gestalt des Lammes ringt, und überhaupt die zwanzigjährige Enstehung dieser außergewöhnlichen Gemäldes, ein großes Vermächtnis möchte man sagen; zum Zweiten natürlich Johannes selbst, „Saint Jean Baptiste“, der so außergewöhnlich leuchtend aus seinem geheimnisvollen Dunkel zu uns herüberstrahlt und der doch so ganz anders ist als derjenige, den er zu verkörpern vorgibt. Die „Mona“ trägt wohl Züge dieser beiden ersten, doch webt dort noch etwas anderes, nicht so sehr Vermächtnis, als Persönliches. Allen drei gemein wird wohl die, man kann ja wohl sagen, lebenslange zärtliche Verbindung zu seinem Lieblingsschüler „Salaj“ sein, wobei sich das „Liebling“ wahrscheinlich nicht so sehr auf dessen Können bezog, und dessen Züge in einigen der Bilder Leonardos verarbeitet sind. Das einzige Bild von dem sich Leonardo Zeit seines Lebens nicht trennen wollte, war doch die „Mona Lisa“, von deren Namen man schon früh annahm, dass es ein Anagramm zu „Mon Salai“ sei. Doch, so scheint mir, ist eine Reduzierung auf dieses Androgyne, diese heimlich offensichtliche Musenschaft als Erklärung dieser außergewöhnlichen Gesichter nur ein Teil dieser Verkörperung. So etwas reicht vom Altertum bis in unsere Zeit; Jünglinge, die alten Männern als Muse dienen. Die Schwelle zwischen Leib und Geist ist fließend... und seien wir doch ehrlich, selbst unser König Karl von Paris hält sich ein solches und obsiegt über die Madonnen unserer Zeit.
Könnte ich beschreiben was diese Gesichter so unausprechlich macht - es wäre ihrer nicht wert, tragen sie dieses Geheimnis doch seit Jahrhunderten vor sich her und legen diese Andeutung eines hohen Geistes, einer anderern Welt mitten durch diese androgyne Körperlichkeit, die, von diesem milden wissenden Lächeln, dieser Leuchtkraft durchstrahlt, nie etwas körperlich unsittliches aussendet, sondern von etwas Ganzem spricht, beglänzt vom Ätherischen, wie Ganymed, gr. „der Glanzfrohe“, die Erhebung der menschlichen Seele über das Irdene, darüber hinausreichend in die Welt des Geistes.
Ach, was wären wir ohne Leonardos Werke… Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, alter Mann!
Apropos Geburtstag ... es ziemet Leonardo’s Reich
der Helenen frommen Schöpfer gleich:
SCHLUSS
Als Onkel Nolte dies vernommen,
War ihm sein Herze sehr beklommen.
Doch als er nun genug geklagt:
»Oh!« - sprach er - »Ich hab’s gleich gesagt!
Das Gute - dieser Satz steht fest -
Ist stets das Böse, was man läßt!
Ei, ja! - Da bin ich wirklich froh!
Denn, Gott sei Dank! Ich bin nicht so!!«