Skip to content

Vom Welttheater, alten Wahrheiten und Leugnungen

Jan 2022
01

Ein alter Mann geht vorüber

Ich war einmal ein Kind. Genau wie ihr.
Ich war ein Mann. Und jetzt bin ich ein Greis.
Die Zeit verging. Ich bin noch immer hier
Und möchte gern vergessen, was ich weiß.
Ich war ein Kind. Ein Mann. Nun bin ich mürbe.
Wer lange lebt, hat eines Tags genug.
Ich hätte nichts dagegen, wenn ich stürbe.
Ich bin so müde. Andre nennen’s klug.

Ach, ich sah manches Stück im Welttheater.
Ich war einmal ein Kind, wie ihr es seid.
Ich war einmal ein Mann. Ein Freund. Ein Vater.
Und meistens war es schade um die Zeit...
Ich könnte euch verschiedenes erzählen,
Was nicht in euren Lesebüchern steht.
Geschichten, welche im Geschichtsbuch fehlen,
Sind immer die, um die sich alles dreht.
Wir hatten Krieg. Wir sahen, wie er war.
Wir litten Not und sah’n, wie sie entstand.
Die großen Lügen wurden offenbar.
Ich hab’ ein paar der Lügner gut gekannt.

Ja, ich sah manches Stück im Welttheater.
Ums Eintrittsgeld tut’s mir noch heute leid.
Ich war ein Kind. Ein Mann. Ein Freund. Ein Vater.
Und meistens war es schade um die Zeit...

Wir hofften. Doch die Hoffnung war vermessen.
Und die Vernunft blieb wie ein Stern entfernt.
Die nach uns kamen, hatten schnell vergessen.
Die nach uns kamen, hatten nichts gelernt.
Sie hatten Krieg. Sie sahen, wie er war.
Sie litten Not und sah’n, wie sie entstand.
Die großen Lügen wurden offenbar.
Die großen Lügen werden nie erkannt.

Und nun kommt ihr. Ich kann euch nichts vererben:
Macht, was ihr wollt. Doch merkt euch dieses Wort:
Vernunft muß sich ein jeder selbst erwerben,
Und nur die Dummheit pflanzt sich gratis fort.
Die Welt besteht aus Neid. Und Streit. Und Leid.
Und meistens ist es schade um die Zeit.

Erich Kästner


Blicke ich einfach zu pessimistisch ins Neue Jahr? Mir grauts dies mit einem klaren “Nein” beantworten zu müssen. Wahr bleibt Wahr, obwohl ja jeder seine eigene Geschichte erzählt und an sie glaubt. Glaube ist das neue Wissen. In Scharen ziehen sie lärmend durch die Straßen gegen den Glauben und sind selbst die größten Gläubigen. Tiefstes Mittelalter. Also ziehen sie ihr Wissen aus dem Glauben und sei der Leim auf dem sie kleben auch noch so irr. Es ist das Bestärkende darin das die Form fest zusammen bäckt und da man unablässig gegen irgendetwas oder irgendwen zu Felde zieht, können sie gar nicht begreifen, was sie selbst im Innersten zusammenhält. Und schon schmeißt einer den ersten Stein, die erste Fackel. Die Masse jubelt..!

Spazieren bildet. In dem wir gehen, sind wir. - Selbst das, im Zweifel! - Sie nehmen uns die Worte für das Rändige und verbiegen sie zur Unkenntlichkeit ihrer selbst. Wer mag sich heute noch unbefangen als Freidenker oder gar Querdenker bezeichnen, als jemanden, der sich nicht stumpf dem Mainstream beugt, sondern eigene Standpunkte und Betrachtungen sucht; sich aber den Realitäten stellt! Mögen sie sich selber so bezeichnen, so ist das ihrem Glauben geschuldet; doch all die Berichterstattung geht so unfassbar daneben diese Begrifflichkeiten in naiver Zuspitzung zu übernehmen und damit komplett zu desavouieren. Was bleibt sind aufeinandergehetzte Ansichten, schön fest zusammengeschraubt in gegenseitiger Verachtung. Scharf gezeichnete Ränder ohne Verträglichkeiten, ohne Möglichkeit der vernunftgeleiteten Übergänge.

Die Welt besteht aus Neid. Und Streit. Und Leid.
Und meistens ist es schade um die Zeit.

Und doch...


Wir sitzen alle im gleichen Zug
und reisen quer durch die Zeit.
Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.
Wir fahren alle im gleichen Zug.
Und keiner weiß, wie weit.

Ein Nachbar schläft, ein andrer klagt,
ein dritter redet viel.
Stationen werden angesagt.
Der Zug, der durch die Jahre jagt,
kommt niemals an sein Ziel.

Wir packen aus, wir packen ein.
Wir finden keinen Sinn.
Wo werden wir wohl morgen sein?
Der Schaffner schaut zur Tür herein
und lächelt vor sich hin.

Auch er weiß nicht, wohin er will.
Er schweigt und geht hinaus.
Da heult die Zugsirene schrill!
Der Zug fährt langsam und hält still.
Die Toten steigen aus.

Ein Kind steigt aus, die Mutter schreit.
Die Toten stehen stumm
am Bahnsteig der Vergangenheit.
Der Zug fährt weiter, er jagt durch die Zeit,
und keiner weiß, warum.

Die erste Klasse ist fast leer.
Ein feister Herr sitzt stolz
im roten Plüsch und atmet schwer.
Er ist allein und spürt das sehr.
Die Mehrheit sitzt auf Holz.

Wir reisen alle im gleichen Zug
zur Gegenwart in spe.
Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.
Wir sitzen alle im gleichen Zug
und viele im falschen Coupé.

Das Eisenbahngleichnis

Erich Kästner

Farbenlehren und Gedichte

Okt 2021
17

Warum die Zitronen sauer wurden

Ich muss das wirklich mal betonen:
Ganz früher waren die Zitronen
(ich weiß nur nicht genau mehr, wann dies
gewesen ist) so süß wie Kandis.

Bis sie einst sprachen: „Wir Zitronen,
wir wollen groß sein wie Melonen!
Auch finden wir das Gelb abscheulich,
wir wollen rot sein oder bläulich!“

Gott hörte oben die Beschwerden
und sagte: „Daraus kann nichts werden!
Ihr müsst so bleiben! Ich bedauer!“
Da wurden die Zitronen sauer . . .

Heinz Erhardt

 

— — —

 

Diese Wochen haben wir ja viel von Farbenlehren gehört, von Flaggen und von Ampeln,
Sahen Stieg und Fall, sah’n Max und Moritz, wie sie strampeln.
Sie sondierten die Visionen, und sich feierlich verschworen,
Nicht zu schwatzen vor dem Ende, WER für WAS nun auserkoren.

So bleibt es spannend. Doch laut Geraune, schon in spe,
Verbleibt den Habenden, das Portemonnaie.
Sie solltens schreien: „Nehmt uns mehr“,
Laut hinaus, „vom Millionär! 🙄

Da kullerten die Taler
- vor Lachen!
Der Politikus macht Sachen!

— — —

 

\\ \\ (o> (o> //\ (() \V _______________ || || ||

Der Spatz

Es flog ein Spatz spazieren
hinaus aus großer Stadt.
Er hatte all die Menschen
und ihr Getue satt.

Er spitzte keck den Schnabel
und pfiff sich was ins Ohr.
Er kam sich hier weit draußen
wie eine Lerche vor.

Er traf hier auch manch Rindvieh,
sah auch manch Haufen Mist . . .
Er sah, dass es woanders
auch nicht viel anders ist.

Heinz Erhardt

 

— — —

Nach einem alten Lied ( ¿Y tú qué has hecho? )

 

 

_=_
|
 ≈

In den alten Stamm des Baumes, schnitzte,
ein Mädchen freudetrunken ihren Namen.
Der Baum in Innersten ergriffen, schwitzte
Und auf des jungen Mädchen heil’ges Froh-Locken
ließ seine Blüten fallen er, ... wie Samen.

Ich bin der Baum, sprach er, so traurig und ergriffen,
Du bist die Schönheit, die sich mir verschrieb.
Von nun an hüt’ ich deinen Namen heilig
In Zeit und Raum, die mir verblieb!

Du ranntest fort, im jugendlichen Schwange.
Vergaßt der Blüten, wie der Tat.
Schüttelst ab der Liebe Tropfen,
Voll Eile, unbedacht! — Schon lange.

Es kamen Feuer, viele ! — Wie die Winter,
Knarrend ächzt der greise Baum im Winde.
Doch tief verborgen, unterm Moos Gesinnter
Trug fort den Namen er, vom Kinde.

J.T.L.

Psychogramm einer Wahl

Sep 2021
26

Warm dringt das letzte Herbstlicht durch die ungewaschenen Fenster und strahlt auf den Wahlzettel. Ich hätte auch sehr früh schon gehen können, doch wie immer kommen einem verhangene Fetzen in den Sinn die alles unbestimmt nach hinten schieben. Habe ich wirklich eine Wahl?

Soviel ist mir inzwischen klar, solch eine Wahl ist keine Wahl zwischen zukünftigen Dingen und Menschen die ich tatsächlich direkt beeinflusse, die eine Wahl für mich ist. Ich bekomme nur etwas vorgesetzt aus dem ich auswählen kann. Und selbst das ist unbestimmt! Da kann man zum einen Leute direkt mit einem ausreichenden Mandat ausstatten, die keiner - geschweige denn ich - persönlich kennt. Mea Culpa! Sie sind aber auch auf bestimmte Ränge und Plätze gestellt, so dass auch ihre “Wahl” eher die vorbestimmte Auswahl einer bestimmten Interessengruppe ist. Reden wir mal nicht von den Weiteren, die sich zum Teil als möchtegern Imperative verstehen, und doch auch nichts weiter als Aushängeschilder einer bestimmten und meist etwas verworrenen Interessengruppe sind. Ihr oft einziger Vor- bzw Nachteil ist, dass sie keiner registrierten Partei oder Fraktion angehören und im Weiteren deshalb auch nicht viel zu melden haben werden. Sie sind aber versorgt; nicht schlecht!
Zum anderen gibt es Parteien aus-zu-wählen, die freundlich um meine Stimme als Blankoscheck bitten, nach dem Motto: “Macht damit was ihr wollt”!

Jede Wahl ist also ein eher unbestimmtes Mandat für eine Gruppe, die über die Modalitäten ihrer Zusammensetzung augenscheinlich selbst bestimmt und sich dem direkten und verantworteten Mandat eines Wahlbürgers zu entziehen sucht. Um sicher zu gehen, haben sie das Modell der Ausgleichsmandate erfunden. Herrlich! Damit lässt sich die etwas dümmliche Wählerschaft wunderbar vorführen. Ihr einziger Nachteil ist, dass es letztendlich die Menge der Parlamentarier im Hohen Hause aufbläht und immense zusätzliche Kosten verursacht — und so letztlich doch irgendwie wieder auffällt. Aber ACH, paperlapapp das wird ja aus dem Steuersäckl bezahlt. Müssten die Parteien ihre zusätzlichen Parlamentarier selbst bezahlen, aus einem fest definierten Budget der eigentlichen festgelegten Menge, das heißt, sich selbst beschneiden, wäre es schnell aus damit. Nee nee, 🙂 aber man wird ja nochmal träumen dürfen! Jedenfalls fragt man nicht die Frösche wann und wieviel man den oder vom Teich ablassen kann.

Da sie - unsere Politiker - also so handeln, darf es nicht wundern, dass ganz allgemein der Staat, bzw seine Finanzen als ein unendlicher Topf für Zugriffe von Interessen, für unendlich unverschämte, geradezu kleptographisch räuberische Plünderungen angesehen wird. Warum sollten Firmen, Verträge, ganz allgemein Menschen diesbezüglich mit angezogener Bremse, dem Allgemeinwohl verflichteter Gesinnung handeln, wenn ihnen dies von ihren Parlamentsvertretern nicht vorgelebt wird? Milliarden werden verpulvert; ohne Konsequenzen! Es schüttelt einen, je mehr man darüber nachdenkt, und so nimmt es nicht Wunder, dass viele Wähler gar nicht mehr wählen und alles einfach geschehen lassen.

Ich nicht! Denn ich gehöre zu einer Generation die wenigstens die innere Pflicht fühlt einer Wahl, und sei sie noch so unvollkommen, nachzukommen. Es gibt nichts anderes und die Auswahl an entsprechenden Alternativen ist sehr begrenzt! Was sie ersetzt, zeigt uns Geschichte; Leider!

Man nennt es Demokratie — Herrschaft des Volkes. In unserem Fall, repräsentative Demokratie, da wir ja zu viele und zu blöd sind etwas direkt entscheiden zu können. Außerdem kommt es der Neigung des Menschen entgegen, unbestimmt und verantwortung-s-los zu sein, haben wir doch mit dem Leben selbst schon genug zu tun.

Nun wäre es zu einfach den Schluss zu ziehen, dass sie, die Politiker, unsere spiegelbildlichen Vertreter an allem Schuld und Auslöser dieser Zustände wären. Sie bilden aber nur ab, was wir sind! Oder eben einen Teil dessen, was wir selber sind. Darüber mache ich mir keine Illusionen.

Habe ich also eine Wahl? ... Hmm! ... So und jetzt gehe ich wählen...! Später mehr dazu.

Der Chinese kichert und schüttelt das laotische Haupt – aus dem die Bitcoins purzeln – angesichts dieser Umstände. Der russische Bär lacht sich ins grimmige Fäustchen, während noch schnell ein paar vorgefertigte Wahlzettel im aufgetauten Permasumpf entsorgt werden. Uncle Sam, der Kapitalist nimmt ein erfrischendes Bad in seinem Geldspeicher und singt: “Money makes the world go round”. Captain Kirk sieht endlich seiner Erstumrundung entgegen, und Jeff grinst sich einen. Der Taliban ist auch nur ein Mensch und dreht freudestrahlend ein paar Runden im Autodrom. Alles ist gut!

Quax, der Bruchpilot, Maurice, meint dagegen nur: „Frischer Fisch aus dem Nil und Kaffee, in dem der Löffel stecken bleibt: Das ist es doch, worauf es im Leben ankommt.

Am nächsten Tag herrscht Kater. Schwarzer Kater. Aber alle sind irgendwie erleichtert, dass sie nun wieder unter sich sind. Das Spiel beginnt, die Krämer kramen! Alte Rechnungen und spitze Messer werden gezückt und vorerst wieder weggesteckt. Sie zeigen aber wer der Hase und die Meute ist.

Die Absurdität der ausgeklügelten gegenseitigen Wägung im 2-Stimmen Wahlsystem wird überdeutlich, dass bestimmte Menschen definitiv abgewählt wurden und dennoch wieder einziehen. « Schließlich wollen wir so tun als ob wir dich respektieren, lieber Wähler, aber dann doch nicht wirklich im Ernst, oder?! Das hätte ja schmerzhafte persönliche Konsequenzen. Das kann doch keiner wollen! Da wir es also besser wissen, nehmen wir uns was uns zusteht. »

In einem anderen Fall wird eine Zulassungs-Begrenzung als Partei zwar gerissen und doch sind deren 3 Bewerber, ausgeschrieben “drei ” (!), als Direktmandate dennoch hinein gewählt. Zum Ausgleich für diese Ungerechtigkeit bekommt diese Partei 36 - sechunddreißig - Ausgleichsmandate hinzu. Nun kann man sogar eine Fraktion bilden und hat automatisch mehr Rechte und mehr Geld zur Verfügung. Unsere Lederhosen jedenfalls wissen davon ein Lied zu singen.

Es locken Posten und Kronen und das Vergessen. Dann kann das Spiel erneut beginnen.

Sie verstehen? Ein geniales System, es sichert Existenzen, Pfründe, Machtoptionen, es schafft sich seine eigene Welt, eine Blase, die nun während der folgenden vier Jahre von allerlei Interessen und Gruppen weiter genährt und gepflegt wird. Hinter den Mauern – abgeschirmt von den Fährnissen des Lebens – werden gerade die Entscheidungsträger und ihre Zuarbeiter in einen volatil gesättigten Zustand gebracht, schwebend über den Dingen mit den komplexen Bedürfnissen einer bestimmten Klientel bearbeitet, die Schrecken einer wesentlichen Veränderung an die Wand gemalt, bis es dasteht, das Gespinst eines Buffets, dass sich nicht mehr von selbst erneuert; Beschrieben das Grauen eines zukunftsleeren Tisches, dem knurrenden Magen das Entsetzen des Ausbleibens der steten Befüllung, der dürstenden Seele die Abstinenz edler durchgeistender Tropfen. Schon sieht er es verdampfen, verdunsten, sich in Luft auflösen, einem hageren Gespenste — der WIRKLICHKEIT — weichen ... Nein! DAS kann er nicht zulassen!

Wie sich unser Demo.krat an diesem Punkt seines Werdens entscheidet, ist nicht schwer zu erraten. Er bleibt sich treu und verrät doch seine ursprüngliche Intention eines Volks-Vertreters, so er jemals eine solche hatte. Das Wahl-Volk wird auf einmal unbestimmt und verdunstet ihm vor Augen, es ist ja auch so wankelmütig, da er ja das wahre Volk in Konkretum verdichtet vor Augen hat. Es hat seine wirtschaftlichen Nöte. Es muss also bei Laune gehalten werden. Da es dasjenige Volk ist, das den Staat und damit auch unseren Vertreter ernähret, kann es nicht falsch sein es zu schützen. Man ist unter sich. Unter Seinesgleichen!

Denken Sie nur an die VW-Betriebsräte; sie sind hohe Manager und werden von ihresgleichen anerkannt und gleichermaßen entlohnt. Alleine ihnen eine Vorteilsnahme zu unterstellen grenzt an völligem Unverständnis. Es ist ein Prinzip! Und gilt ebenso in der Politik! Und so entstehen an solchen Orten enge Freundschaften und stabile Verbindungen, gesellschaftlicher Austausch, bis hin zur gegenseitigen Hilfe und Vorteilnahme. Der Übergang in die gekaufte Republik ist fließend! Und so wird sehr schnell, nur aus dem davorgesetzten Stand.punkt und Artikel, aus der Herrschaft des Volkes, aus Demos “Volk” und kratein “herrschen” — “Das Volk beherrschen”.

Wie sonst ließe sich der Pathos und die Überheblichkeit erklären mit der Politiker - wo es doch so gänzlichst gar nicht ihre Art ist - plötzlich zum Wohle aller wirkmächtige Dinge beschließen, von deren Anspruch und Folgen sie meist wenig Ahnung haben und nie wissen, wie sie einst aus diesem angerichteten Schlamassel wieder herauskommen; sei es am Hindukusch, in der schleichenden Aushöhlung der freiheitlichen Grundrechte im Kampf gegen den Terror, oder eben in Pandemiezeiten. Alles aus gutem Grund und doch grundfalsch im Ergebnis. Die Geschichte zeigt es immer wieder.

Meist läuft es doch so, wenn der Demokrat sich endlich in die Höhen eines Ministeramtes gebracht hat: Tue wenig bis gar nichts und niemand kann dir ans Leder. Sollte es dennoch soweit kommen, dass man gezwungen ist zu handeln, haben sich obskure 10-Punkte Pläne bewährt, die so lange medial durchgeritten werden, bis jederman denkt, sie wären tatsächlich dafür da etwas konkret zu bewirken. Sobald sich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit einer nächsten Krise zuwendet - und das ist gewiß - ist die Gefahr vorüber und der Plan wird bis zum nächsten Ereignis in die Dunkelheit der Schubladen zurück gelegt. Solche Ereignisse zu handeln gehört heute zum politischen Handwerk. Hat man an ein, zwei Stellschräubchen gedreht, kann alles so weiter laufen wie bisher und weiterer Schaden ist erfolgreich vermieden und abgewendet.

Schlimmer ist, wenn die Krisen anhalten und wirklich etwas getan werden muss. Dann sieht sich unser Vertreter plötzlich gezwungen zu handeln und etwas auf die eigene Kappe zu nehmen. Alles unter der medial scharf-gerichteten Aufmerksamkeits-Bestrahlung der Öffentlichkeit. Dies ist ein sehr unangenehmer Zustand. Denn das Ende ist womöglich offen und unvorhersehbar. Also folgt man einer Erzählung und bleibt ihr treu. Solch ein Narrativ ist wohl das einzige was hilft — und Zeit. Längst hat die — WIRKLICHKEIT — das Narrativ überholt und doch herrscht nackte Angst es anzupassen, sich wieder in das Unbestimmte zu ergeben; die Folgen zu tragen. Der Demo.krat ist schließlich auch nur ein Mensch!

Nun tut man natürlich all denjenigen Unrecht die sich ihre Gesinnung bewahrt haben und aufrecht gegen die Mühlen ankämpfen. Sie sind aber im Strom der Wahrnehmung eher die Ausnahme als die Regel. Einsame Don Quichotes, meist eher von den eigenen Leuten vom Hofe gejagt, als vom Wähler mißbilligt.

Wer setzt sich nun durch? Zum Einen die Jäger, die Narzisten, die genügend Skrupellosigkeit mitbringen ein paar Opfer auf ihrem Wege zu hinterlassen. Sie sind Kämpfer, und Psychopaten und ihr Platz, die Arena. Doch werden sie auch ebenso schnell aus dem Wege gerollt wenn ein neuer Platzhirsch die Herde beansprucht; ihr eigener Zenit an Machthunger überschritten ist. Dann gibt es die ruhend Sit.ZEN.den. Sie überstehen oft lange und schadlos die Wirren der Tagesgeschäfte, aus denen sie sich heraushalten, die Nächte der langen Messer, denn sie nutzen eine besondere Form der Machtausübung, die seit dem amerikanischen Politologen Joseph S. Nye gemeinhin als Soft Power gegenüber der Hard Power bezeichnet wird. Verkürzt in etwa: Eine kulturelle Attraktivität des ideologischen Narrativs. Sie geht nicht gegen an, sondern nutzt das Vertrauen als Basis. Sie hören so lange zu bis sich ein Weg abzeichnet, der in der erschöpfenden Entkräftung der Kontrahenten einen Lösungsweg ergibt. Ihre Hard Power ist diejenige, die ihre Kontrahenten bei ihnen für möglich halten, nicht aber deren konkrete Anwendung. Ihr wahrer Schatz liegt in der Attraktivität ihrer “Vision”. Dies kann gänzlichst ohne eine solche auskommen. Aber es ist die Nutzung der positiven Kraft, also eine Entgegennahme, ganz ein wenig so wie es die östlichen Kampfkünste vermitteln. Jeder kriegerische Akt ist ein Akt der Gewalt, der Zerstörung. Darauf kann nichts bauen! Hinwendung und Verwandlung sind die Kennzeichen eines großen Staatskünstlers. Auch ein solcher hinterläßt so manchen Psychopaten ausgelaugt und entnervt am Wegesrand, doch nicht aus Zerstörung, sondern aus Entkräftung!

Ach du grüne Neune! Jetzt habe ich mich doch tagelang etwas hinreißen lassen und sehe schon einen schier unendlichen Weg des weiteren Beschreibens vor mir. Aber Sie sehen worauf ich hinauswollte. 😅 Ich anerkenne die Kunst so lange regiert zur haben, ohne dass einen am Ende ein Brutus das Licht auslöscht! Respekt!

 

Am Grunde der Moldau wandern die Steine
Es liegen drei Kaiser begraben in Prag.
Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine.
Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag.

Es wechseln die Zeiten. Die riesigen Pläne
Der Mächtigen kommen am Ende zum Halt.
Und gehn sie einher auch wie blutige Hähne
Es wechseln die Zeiten, da hilft kein Gewalt.

Am Grunde der Moldau wandern die Steine
Es liegen drei Kaiser begraben in Prag.
Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine.
Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag.

 

DAS LIED VON DER MOLDAU, Bertolt Brecht

So long..!

» Hab’ ich es denn Euer Gnaden nicht gesagt, es seien Windmühlen, und das könne nur der verkennen, der selber welche im Kopf habe? «  M. de Cervantes, Sancho Panza an seinen Don