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Rückblicke

Mai 2014
30

Lobsters sind principalis Einzelänger! Was nicht heißt, das sie nicht dann und wann auch einen Freund finden. Selten. Einen Freund im Geiste, einen verwandten Geist.

Mein Freund ist ein nordpazifischer Lobster, mit dem ich schon die ganze Welt gesehen habe. Und warum? Uns war es in unseren Höhlen zu eng geworden; die Flucht nach vorn eine willkommene Abwechslung. Gewissermaßen ist meinem pazifischen Freund schnell klar geworden, dass er eine austerbende und deplazierte Art ist, wenn er nicht auswandert. Was er denn auch tat und an immer neuen Orten Fuß fasste.

Geprägt vom Leben, immer noch auf der Suche nach uns selbst, stehen wir nun da und schauen auf die kurvigen Trümmer der Hoffnungen und Erwartungen. Staunend. Ernüchtert. Wissend, dass die Zeiten jugendlicher Eroberung neuer Höhlen und neuer Reviere grundsätzlich vorbei ist.

So erreichte mich vor kurzem ein Brief meines Freundes, rück blickend:

Der Fern-seher

Wir sitzen in einem rostigen kleinen Fiat und rasen mit erhöhtem Tempo durch die bergige und kurvenreiche Landschaft von Marokko. Ich bitte meinen Freund um eine langsamere und angemessenere Fahrweise in einem Land, wo unberechenbare und unbeleuchtete Fußgänger, Schafe und Fahrradfahrer kreuzen oder auf falscher Fahrbahn entgegen kommen - wir sind doch nicht auf der Rallye Paris-Dakar? Keinen Zweck, wir düsen weiter; “Ich muss mich nicht an deine Empfehlung halten, oder?”, kommentierte der verrückte Fahrer.

Die Windschutzscheibe wird zum Bildschirm, alles zieht beliebig an einem vorüber, jede Kurve birgt wieder eine Kurve, einen Berg, ein neues Hindernis oder eine Überraschung und die Wiederholung dessen, eine Kurve, einen Berg... Doch bald stellt man fest, nichts ist wirklich neu, alles schon einmal gesehen, alles in vielfachen Variationen erlebt, sogar die Überraschungen kopieren sich fortlaufend.

Besteht das Leben aus nichts anderem als einer unendlichen Kette von variierenden Wiederholungen...? Was soll dann die Fahrerei mit steif werdenden Gliedern und ermüdenden Augen? Kann ich nicht anhalten und mich hinsetzen und fragen warum? Sehe ich nicht in dem Moment des Aussteigens weitaus mehr? Und wird nicht durch tausend Eindrücke der einzelne Eindruck verdrängt - nichtig gemacht?

Das Äussere Sehen ist Fern-sehen und dient nicht nur die zahllosen Eindrücke durch neue zu überlagern, sondern auch sich als Betrachtender zu vergessen und um sich abzulenken von wahren Themen des Lebens: sich selbst zu finden, mit sich zu Recht zu kommen, sich und andere zu ertragen, sich weiterzubilden und sich zu formen. Das neue Reisen sucht den inneren Weg, nicht Abgase, Äußere Gegebenheiten oder weitere fremdländische Orte.

jb marroko

In unserer Zivilisation kann man in endloser Se­­rie Dinge finden, die einen befriedigen, die einem ständig neue Höhepunkte liefern, die einen klei­­den, die einen informieren und so weiter. Alles steht bereit für ein Leben in Bequemlichkeit, mit Tempo und mit Spaß. Aber dann gibt es etwas in uns allen, das sagt: Und was jetzt? Und was dann?

Saul Bellow, Interview, Wir müssen die Klassiker studieren, die Zeit, 13.1.1989


liebe grüße an den fahrer...
john

 

Mein lieber John - ich denke an dich, in deiner Höhle! Und erinnere die tausendundeine Nacht, die wir in Marokko erlebten! ;-)

KANN EIN ESEL TRAGISCH SEIN?

Dez 2005
18
– Daß man unter einer Last zu Grunde geht, die man weder tragen, noch abwerfen kann? ... Der Fall des Philosophen." (Friedrich Nietzsche, Götzen-Dämmerung)

Oder anders:

“Der alte graue Esel, I-Ah, stand allein in einem distelbewachsenen Winkel des Waldes, die Vorderbeine gespreizt, den Kopf auf eine Seite gelegt, und dachte über alles nach. Manchmal dachte er traurig bei sich: Warum?, und manchmal dachte er: Wozu?, und manchmal dachte er: Inwiefern? -, und manchmal wußte er nicht so recht, worüber er nachdachte.” (Alan Alexander Milne, Pu der Bär, Übersetzung: Harry Rowohlt)

Daß dieser Esel hochgradig gefährdet ist, ist offensichtlich. Was bleibt ihm, um dieser Gefahr zu entgehen? Die wahren Esel meinen: nur das Denken. Und da sie dennoch wissen, daß es nichts als ebendieses war, was sie in ihre Malaise hineinbugsiert hat, denken und proklamieren sie allgemein, daß die Hinausbugsierung nichts anderes leisten kann als das sich denkend selbst abschaffende Denken.

Schafft das Denken sich also nicht selbst ab, bleibt aber das o.g. Problem bestehen. Die bekanntesten Auswege daraus sind Dogmatismus und Zynismus. Oder aber, als dessen notwendige Kritik, die postmoderene Variante des lachenden Dritten, die allzuoft mit der Art des Zugriffs auf die gegebene Sache auch diese selbst, ohne es selbst zu merken, verloren gibt. Die lachende Magd substituiert den Philosophen, ersetzt nicht seine Arbeit, und wer anderes behauptet ist entweder selbst Magd oder doch wieder Zyniker. Ihre Arbeit hätte, um auf sie heute sich berufen zu dürfen, sein sollen, den Philosophen selbst zum lachen zu bringen (worauf er, meinetwegen, wer diese Pointe braucht, soll sie haben, in den Brunnen fiel). Womit schon wieder [...] die Frage gestellt ist, wie es heute möglich ist, kritisch und dennoch nicht zynisch zu denken.
Gefunden unter: Theater & co. im Ruhrgebiet - Ausgabe 13
http://www.kulturserver.de/cgi-bin/view_korrespondent?id=584



Oder man hat einen Freund.
Wie Eeyore Winnie the Pooh:
In Harry Rowohlts mehr als kongenialer Übersetzung
lautet dieses Puh-Gedicht:
Cottleston, Cottleston, Cottleston Pie.
A fly can´t bird, but a bird can fly.
Ask me a riddle and I reply:
Cottleston, Cottleston, Cottleston Pie.

Cottleston, Cottleston, Cottleston Pie,
A fish can´t whistle and neither can I.
Ask me a riddle and I reply:
Cottleston, Cottleston, Cottleston Pie.

Cottleston, Cottleston, Cottleston Pie,
Why does a chicken, I don´t know why.
Ask me a riddle and I reply:
Cottleston, Cottleston, Cottleston Pie.
Fragen, Fragen, immer nur Fragen.
Es kann der Käfer den Specht nicht ertragen.
Gib mir ein Rätsel auf; ich werde sagen:
’Da mußt du jemand anders fragen’.

Fragen, Fragen, immer nur Fragen.
Ein Fisch kann nicht pfeifen, und ich kann nicht klagen.
Gib mir ein Rätsel auf; ich werde sagen:
’Da mußt du jemand anders fragen’.

Fragen, Fragen, immer nur Fragen.
unsichtbar wird der Honig im Magen
Gib mir ein Rätsel auf; ich werde sagen:
’Da mußt du jemand anders fragen’.