Fortschritt - take¹
Dez 2007
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Wenn man älter wird, so macht man sich zuweilen Gedanken philosophischer Natur, die in unmittelbaren Zusammenhang mit den jahreszeitlichen, kulturellen oder politischen Strömungen der aktuellen Zeit stehen mögen. Man stolpert eines Morgens über diesen oder jenen Satz, sieht ein Bild, festigt und verwirft oder überprüft Standpunkte.
Es gibt ein Aquarellbild von Paul Klee, ein Portrait eines Engels, mit dem schönen Namen: Angelus Novus. Kurz vor seinem Tod schrieb Walter Benjamin in Theses on the Philosophy of History - Über den Begriff der Geschichte:
Allerdings nimmt dieser Fortschritt in der heutigen Zeit Ausmaße an, die schon Manchen zur Flucht vor dieser Art Sturm veranlassen. Das Forum auf heise.online, jenem kleinen IT Verlag in der norddeutschen Tiefebene, der sich mit penetranter Hartnäckigkeit immer wieder dem Thema der zunehmenden und schleichenden Verschärfung der Befugnisse unserer Sicherheitsbehörden widmet, ja dieses Forum schreit förmlich davon, dass hier Grenzlinien überschritten werden, die aus bisher Unbescholtenen mit ihren kleinen privaten Geheimnissen potentielle Dunkelmänner, Ausspionierte, ja quasi generell Verdächtige machen.
Es gibt ein Aquarellbild von Paul Klee, ein Portrait eines Engels, mit dem schönen Namen: Angelus Novus. Kurz vor seinem Tod schrieb Walter Benjamin in Theses on the Philosophy of History - Über den Begriff der Geschichte:
Angelus Novus
Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muss so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.
Allerdings nimmt dieser Fortschritt in der heutigen Zeit Ausmaße an, die schon Manchen zur Flucht vor dieser Art Sturm veranlassen. Das Forum auf heise.online, jenem kleinen IT Verlag in der norddeutschen Tiefebene, der sich mit penetranter Hartnäckigkeit immer wieder dem Thema der zunehmenden und schleichenden Verschärfung der Befugnisse unserer Sicherheitsbehörden widmet, ja dieses Forum schreit förmlich davon, dass hier Grenzlinien überschritten werden, die aus bisher Unbescholtenen mit ihren kleinen privaten Geheimnissen potentielle Dunkelmänner, Ausspionierte, ja quasi generell Verdächtige machen.
Das zunehmende Unverständnis in beiden Lagern was Freiheit und Sicherheit nun eigentlich bedeuten mögen, angesichts der Bedrohungen der alltäglichen Welt, führt zu fast parodistischen Auseinandersetzungen im Plenum des Deutschen Bundestages. Ist es aber doch nicht so, wie unser Innenminister uns zu erklären versucht, das als...
Es heißt aber keineswegs, dass neben uns ein Staatsdiener sitzen möge, der auf unser Fahrweise, Ziele und Interessen achte. Es heißt ferner nicht, dass die Staatsorgane jedem auch nur ansatzweise verdächtigem Verkehrsteilnehmer einen Virus in unsere Autoelektronik einpflanzen dürfen, damit jeglicher Ansatz einer ungeeigneten Nutzung sofort vereitelt werden könne. Schon gar nicht heißen kann es, dass unsere gesamte Fahrtätigkeit minutiös sechs Monate lang gespeichert werden dürfe, denn es könnten ja möglicherweise Fragen über unsere zurückliegenden Fahrgewohnheiten in irgendeinem strafrechtlich relevantem Zusammmenhange auftauchen. Müsste nun jede Maßnahme, seien es die bisher unerwähnten Beschlüsse zum E-Pass, neuen Datenbanken oder grobmaschigen Rasterfahndungen darob geprüft werden, so kämen wir mit diesem Absatze gar nicht mehr an ein Ende.
Welch schöner Satz - wohin wir auch blicken - im Moment wird die Freiheit des Einzelnen streng beschnitten, alles haarscharf an den formulierten Freiheitsrechten des Grundgesetzes entlangfabuliert, die sichere Grenze oftmals mit bewusst nebulösen Formulierungen in eine Grauzone staatlichen Handelns verwandelt. Wo kämen wir hin, wenn wir es erlaubten, dass es einen Ort und sei es einen virtuellen gäbe, in der die Menschen quasi in Freiheit ihre Gedanken formulierten, gemeinsames und trennendes schüfen, in dem Staat und Bürger denselben Freiheitsrechten unterlägen und sich ihre Regeln untereinander neu stellten. Können wir so einen Raum erlauben? Was ist mit den Gesetzlosen? Dürften wir ihnen erlauben solch einen RAUM für ihre Zwecke zu missbrauchen?
Damit sind wir zwangsläufig bei der entscheidenden Frage gelandet, ob das Internet Segen oder Fluch, bestimmt oder beseelt, grenzenlos oder begrenzt sein sollte. Ginge es nach den Gesichtspunkten der Wirtschaft, so wäre schon längst entschieden, dass das Internet nur ihr verlängerter, bunt kitschiger Ladentisch bis in die Wohnstuben sein kann. Ginge es nach den Gesichtspunkten der Staaten, so wünschte sich jedes autoritative Regime die Informationsvielfalt in ihren Sinne zu beschneiden und die freie Meinungsäußerung ihrer Bürger zu kontrollieren. Ginge es nach den Ängsten, die zur Zeit die Handlungen zu bestimmen scheinen, müssten Schneisen staatlicher Vorsorge geschlagen werden, die das neue Medium schnell in ein gläsernes ‘Virtullum’ ohne Privatsphäre verwandelten. Alle drei sind auf ihrem Wege schon weit fortgeschritten sich das Medium vollständig zu unterwerfen.
das Auto noch nicht erfunden war, brauchte die Polizei keine Kraftfahrzeuge; das ist wahr. Als das Auto aber erfunden war, brauchte die Polizei Kraftfahrzeuge. ¹Analog zu den 13 in dieser halben Legislaturperiode beschlossenen sicherheitspolitischen Gesetzen aus dem Innenministerium bedeutet dieses falsch gemeinte Analogon nichts anderes, als das wir unseren Sicherheitsbehörden doch einen Zugang zum Internet (also ein “Auto”) bereitstellen und sicherstellen sollten, das diese darin ausgebildet und befähigt werden. Darin ließe sich bestimmt Einigkeit erzielen!
Es heißt aber keineswegs, dass neben uns ein Staatsdiener sitzen möge, der auf unser Fahrweise, Ziele und Interessen achte. Es heißt ferner nicht, dass die Staatsorgane jedem auch nur ansatzweise verdächtigem Verkehrsteilnehmer einen Virus in unsere Autoelektronik einpflanzen dürfen, damit jeglicher Ansatz einer ungeeigneten Nutzung sofort vereitelt werden könne. Schon gar nicht heißen kann es, dass unsere gesamte Fahrtätigkeit minutiös sechs Monate lang gespeichert werden dürfe, denn es könnten ja möglicherweise Fragen über unsere zurückliegenden Fahrgewohnheiten in irgendeinem strafrechtlich relevantem Zusammmenhange auftauchen. Müsste nun jede Maßnahme, seien es die bisher unerwähnten Beschlüsse zum E-Pass, neuen Datenbanken oder grobmaschigen Rasterfahndungen darob geprüft werden, so kämen wir mit diesem Absatze gar nicht mehr an ein Ende.
Der Staat ist ein Rechtsstaat nur so lange, wie er in der Lage ist, das Recht durchzusetzen. Die Gesetzlosigkeit sichert nicht Freiheit und Grundrechte. ¹
Welch schöner Satz - wohin wir auch blicken - im Moment wird die Freiheit des Einzelnen streng beschnitten, alles haarscharf an den formulierten Freiheitsrechten des Grundgesetzes entlangfabuliert, die sichere Grenze oftmals mit bewusst nebulösen Formulierungen in eine Grauzone staatlichen Handelns verwandelt. Wo kämen wir hin, wenn wir es erlaubten, dass es einen Ort und sei es einen virtuellen gäbe, in der die Menschen quasi in Freiheit ihre Gedanken formulierten, gemeinsames und trennendes schüfen, in dem Staat und Bürger denselben Freiheitsrechten unterlägen und sich ihre Regeln untereinander neu stellten. Können wir so einen Raum erlauben? Was ist mit den Gesetzlosen? Dürften wir ihnen erlauben solch einen RAUM für ihre Zwecke zu missbrauchen?
Damit sind wir zwangsläufig bei der entscheidenden Frage gelandet, ob das Internet Segen oder Fluch, bestimmt oder beseelt, grenzenlos oder begrenzt sein sollte. Ginge es nach den Gesichtspunkten der Wirtschaft, so wäre schon längst entschieden, dass das Internet nur ihr verlängerter, bunt kitschiger Ladentisch bis in die Wohnstuben sein kann. Ginge es nach den Gesichtspunkten der Staaten, so wünschte sich jedes autoritative Regime die Informationsvielfalt in ihren Sinne zu beschneiden und die freie Meinungsäußerung ihrer Bürger zu kontrollieren. Ginge es nach den Ängsten, die zur Zeit die Handlungen zu bestimmen scheinen, müssten Schneisen staatlicher Vorsorge geschlagen werden, die das neue Medium schnell in ein gläsernes ‘Virtullum’ ohne Privatsphäre verwandelten. Alle drei sind auf ihrem Wege schon weit fortgeschritten sich das Medium vollständig zu unterwerfen.
¹) W.S., Minister des Inneren, Berlin, Donnerstag, den 29. November 2007
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