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Warte, warte nur balde ... Pfingsttägliche Betrachtungen

Mai 2018
21

oder, ‘Wie ein bisschen Naschen die Menschheit in die Freiheit stürzte...’

So der heilige Geist niedergefahren und die Jünger fortan sprachbegabte, fielen wohl auch einige dieser Ambrosianischen Tropfen auf die hier geliebten Denker und Dichter. Ein Buch das heute in der Gänze wohl eher unbekannt ist offenbart Perlen der philosophischen Betrachtungen. Es ist der Beginn eines Krieges und Voltaires Ansichten gehören heute zum Grundbestand eines jeden denkenden Menschen (auch wenn zuweilen Zweifel daran aufkommen). Es soll angeblich in feuchtfröhlichem Gelage am Hofe Friedrichs II. die Idee entstanden sein, der christlichen Religion und ihren allseits bestimmenden Themen ein Werk entgegenzusetzten, dass die Positionen der französischen Aufklärung in verständlicher Form zusammenfasste. Welch ein Affront! Es verbreitete sich subversiv vergnüglich an passenden Orten und konnte nicht aufgehalten werden. Sogleich nach Erscheinen wurde es allerdings in Paris verbrannt und Voltaire musste sich auf die Flucht begeben! Und das, obwohl er durchaus den Glauben an einen Gott als Bedingung der menschlichen Moral rechtfertigte, ohne den das Volk kurz über lang alle Hemmungen und Ängste verlieren und zu gewalttätigen Mitteln gegen die herrschende Ordnung greifen würde.

Recht so, meine Herren, erobert euch die Erde, denn sie gehört dem Starken oder dem Geschickten, der sich ihrer bemächtigt. Ihr habt euch die Zeiten der Unwissenheit, des Aberglaubens, des Wahnsinns zunutze gemacht, um uns unser Hab und Gut zu rauben und uns mit Füßen zu treten, um euch auf Kosten der Unglücklichen zu mästen. Zittert vor dem anbrechenden Tag der Vernunft.

Voltaire „Philosophisches Wörterbuch“
Voltaire ( François-Marie Arouet 1694–1778 ) »Dictionnaire philosophique portatif« (Philosophisches Taschenwörterbuch), zuerst Genf/London 1764.

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Blaupausen für Engel

Sep 2017
04

Ich befand mich in jenem eigentümlichen Zustand zwischen den Welten, den Kopf durchzuckender Blitze von Gedanken, Fetzen die nicht greifbar, an dem Ort wo das Bratbrot dem Fett überlassen und die Welt einen kurzen Moment innehält, zwischen Wahnsinn, Irrsinn und Wahrheit. Es ist wie eine fortgesetzte blaue Stunde, treibend, innehaltend, unbestimmbar, richtunglos.

Man ist versucht den Atem anzuhalten um dem wackeligen Gefährt nicht eine unumkehrbare Richtung vorzugeben, es aus dem labilen, wolkig wabernden Gleichgewicht zu stoßen. Doch unweigerlich vergilbt die Blaupause nach Stunden des Dahintreibens, schlaff hängt ihr Segel, eine entsetzliche Leere zurücklassend.

Da könnte ein herzhaftes Gericht die treibende Seele sehr wohl wieder ins Lot bringen, wenn mit Liebe gekocht. Einen sanft aber bestimmt auf den Boden setzend, zwischen dem Past der Pasta, dem Perfekt des Grünkerns und dem Futurikum der Rotweinsoße.

Alter Mann und ewig jung

Apr 2012
15
LdV_self
* 15. April 1542
LdV_portait
† 2. Mai 1519

Leonardo da Vinci

 

Was ließe sich zu Leonardo da Vinci sagen, was nicht bereits hunderte Male erdacht, gefühlt, zu Papier und in Worte gefasst worden wäre. Doch eins ist es, was mich selbst in verschiedenen Lebensaltern immer wieder fasziniert und ehrfurchtfühlend vor die Bilder Leonardos hat treten lassen. Es ist, abseits der Faszination des großen Forschergeistes (menschlicher Proportionen und technische Entwicklungen, des großen Ingenieurs Leonardo) und Ahners kommender Entwicklungen und ebenso abseits der vielen Deutungen, die uns einige seiner Bilder in Verbindung mit seinem Leben ermöglichen, es ist, ja es sind die drei Hauptwerke, seine wirklich großen Hinterlassenschaften, an denen er doch so lange gesessen und mit ihnen gerungen hat. Für mich sind es zuvorderst die „Anna selbdritt“, dann „Johannes der Täufer“ und zuletzt wahrscheinlich auch die „Mona Lisa“, diese allerdings gegenüber den beiden ersten nur bedingt.

 

hlg_anna Auschnitt
Auschnitt Anna selbdritt
Ausschnitt Jean Babtiste

Dortselbst faszinieren mich dieses unausprechliche Gesicht und Ausdruck der Heiligen Anna (hebräisch: Hannah), Mutter der Maria mit ihrem Jesuskindlein das mit Johannes dem Täufer in Gestalt des Lammes ringt, und überhaupt die zwanzigjährige Enstehung dieser außergewöhnlichen Gemäldes, ein großes Vermächtnis möchte man sagen; zum Zweiten natürlich Johannes selbst, „Saint Jean Baptiste“, der so außergewöhnlich leuchtend aus seinem geheimnisvollen Dunkel zu uns herüberstrahlt und der doch so ganz anders ist als derjenige, den er zu verkörpern vorgibt. Die „Mona“ trägt wohl Züge dieser beiden ersten, doch webt dort noch etwas anderes, nicht so sehr Vermächtnis, als Persönliches. Allen drei gemein wird wohl die, man kann ja wohl sagen, lebenslange zärtliche Verbindung zu seinem Lieblingsschüler „Salaj“ sein, wobei sich das „Liebling“ wahrscheinlich nicht so sehr auf dessen Können bezog, und dessen Züge in einigen der Bilder Leonardos verarbeitet sind. Das einzige Bild von dem sich Leonardo Zeit seines Lebens nicht trennen wollte, war doch die „Mona Lisa“, von deren Namen man schon früh annahm, dass es ein Anagramm zu „Mon Salai“ sei. Doch, so scheint mir, ist eine Reduzierung auf dieses Androgyne, diese heimlich offensichtliche Musenschaft als Erklärung dieser außergewöhnlichen Gesichter nur ein Teil dieser Verkörperung. So etwas reicht vom Altertum bis in unsere Zeit; Jünglinge, die alten Männern als Muse dienen. Die Schwelle zwischen Leib und Geist ist fließend... und seien wir doch ehrlich, selbst unser König Karl von Paris hält sich ein solches und obsiegt über die Madonnen unserer Zeit.

Könnte ich beschreiben was diese Gesichter so unausprechlich macht - es wäre ihrer nicht wert, tragen sie dieses Geheimnis doch seit Jahrhunderten vor sich her und legen diese Andeutung eines hohen Geistes, einer anderern Welt mitten durch diese androgyne Körperlichkeit, die, von diesem milden wissenden Lächeln, dieser Leuchtkraft durchstrahlt, nie etwas körperlich unsittliches aussendet, sondern von etwas Ganzem spricht, beglänzt vom Ätherischen, wie Ganymed, gr. „der Glanzfrohe“, die Erhebung der menschlichen Seele über das Irdene, darüber hinausreichend in die Welt des Geistes.

Ach, was wären wir ohne Leonardos Werke… Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, alter Mann!

 

Apropos Geburtstag ... es ziemet Leonardo’s Reich
der Helenen frommen Schöpfer gleich:
SCHLUSS
Als Onkel Nolte dies vernommen,
War ihm sein Herze sehr beklommen.
Doch als er nun genug geklagt:
»Oh!« - sprach er - »Ich hab’s gleich gesagt!
Das Gute - dieser Satz steht fest -
Ist stets das Böse, was man läßt!
Ei, ja! - Da bin ich wirklich froh!
Denn, Gott sei Dank! Ich bin nicht so!!«